wuerzbergs verständnis fragen

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Newsletter 04/24

 

N O T I Z E N  Z U R  C O R P O R A T E   C U L T U R E / 10

Diversity works. The Pygmalion Project doesn’t

Anmerkungen zum Diversity Management

Diversität steht als moralisches Gebot und Handlungsprogramm auf der Agenda fast aller öffentlich Sprechenden momentan sehr weit oben – soweit sie sich denn als Teil unserer liberal-demokratischen Wertegemeinschaft verstehen.

In den Leitbildern und Auftritten der Unternehmen ist das Bekenntnis zur Diversität inzwischen ebenso selbstverständlich wie dasjenige zur Nachhaltigkeit und zur gesellschaftlichen Verantwortung.

Die Implementierung von Diversity Management-Stellen schreitet daher zügig voran. Der Öffentliche Dienst, allen voran Hochschulen und Kultureinrichtungen, fungiert dabei als Schrittmacher.

In den Unternehmen liegt (laut einer aktuellen Umfrage der Haufe-Akademie) der Fokus ihrer Diversity-Policy zur Zeit noch ganz überwiegend auf der Außenwirkung: Employer Branding und Werbung. Man greift den gesellschaftlichen Trend auf und nutzt ihn zu Marketingzwecken.

Im nächsten Schritt (auch dieser ist unumgänglich) werden immer mehr Betriebe, weil sie sich als Teil der Zivilgesellschaft verstehen, Diversity aktiv begleiten und in ihr HR- Management integrieren.

Über das Ziel, Gleichberechtigung als Pluralität sichtbar zu machen besteht Common Sense. Über die Wege dorthin wird wohl noch länger gestritten werden (braucht man, z.B., eine Frauenquote für Aufsichts- und Führungsgremien in DAX-Unternehmen oder ist das eher kontraproduktiv?).

Ob diversity works in der Realität zutrifft, entscheidet sich erst jenseits dessen, wozu sich gerade alle verpflichtet fühlen.

Ob die Behauptung diversity works in der Unternehmens-Realität zutrifft, entscheidet sich allerdings erst jenseits dessen, wozu sich gerade alle verpflichtet fühlen. Nämlich erst dann, wenn der Diversitäts-Ansatz in den Teams angekommen ist. Diversität bringt den Unternehmen erst dann potenziell echten Mehrwert, wenn sie als Chance für die Steigerung der Team-Performance erkannt und genutzt wird.

Der Blick in die bisher vorliegenden Ergebnisse der Organisationsforschung ist erst einmal ernüchternd. Teamdiversität wird seit gut zwanzig Jahren wissenschaftlich untersucht, überwiegend mit dem Fokus auf demografischen Merkmalen wie Gender und ethnischer Zugehörigkeit, vereinzelt auch in der Korrelation mit aufgabenbezogenen Merkmalen. Insgesamt ergeben sich aus den Studien sowohl Belege für eine Leistungserhöhung als auch für eine Leistungsminderung von diversen im Vergleich zu homogenen Teams. Der Hypothese, dass ein breiteres Spektrum an Perspektiven und Herangehensweisen sich positiv auf die Performance auswirken kann, steht die Hypothese gegenüber, dass aus der Vielfalt Reibungen und Konflikte entstehen können, die zu Energieverlust und geringerer Produktivität führen. Klar ist, dass das Bündel von zu berücksichtigenden Einflussfaktoren schier unüberschaubar ist: Unternehmenskultur, Führungsverhalten, Rollenverteilung im Team etc. etc. Auf eindeutige Befunde oder gar Handlungsempfehlungen vonseiten der Organisationsforschung sollte also nicht hoffen, wer sich der Herausforderung Diversitätsmanagement stellt.

Naheliegender und daher empfehlenswert wäre wohl eine pragmatische, evidenzbasierte Herangehensweise. Wer schon einmal konkret erlebt hat, welche positiven Wirkungen die Öffnung eines homogenen Teams entfalten kann, benötigt keine wissenschaftlichen Erklärungen.

Die Stahl-Unternehmerin Anne-Marie Großmann jedenfalls ist begeistert von ihren Erfahrungen mit diversen Teams.

„Jedes Unternehmen profitiert unglaublich davon, diverse Teams zu haben.“

(Interview, ZEIT für Unternehmer, April 2024)

Was in der immer noch von Männern dominierten Stahlbranche nach wie vor ein echtes Statement ist. Manche Organisationen allerdings haben diesen Weg noch vor sich*.

Alles in allem darf man wohl konstatieren: Diversity works. Dem Credo der Persönlichkeits- Psychologie, von David Keirsey und Marilyn Bates vor vierzig Jahren verkündet, würde wohl heute kaum jemand widersprechen, jedenfalls, soweit es um das Gender-Thema geht.

Keirsey und Bates hatten ihre Zuversicht schon damals allerdings mit einer Warnung verknüpft.

The Pygmalion Project doesn’t work.

Sowohl aus der antiken Göttersage vom Bildhauer, der sich in sein steinernes Ebenbild verliebt als auch aus dem Musical „My fair Lady“ können wir die Lehre ziehen: Nachahmung geht meistens schief.

Nicht nur in der Kunst oder in der Menschenführung ist der Versuch, Gleichheit zu erzwingen, von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Dr. Higgins’ Botschaft an Eliza „mach’s wie ich (oder noch besser: Sei wie ich!), dann ist alles gut“ taugt nicht als Führungs- Philosophie. Und im Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reicht Diversity bei den demografischen Merkmalen in absehbarer Zeit nicht mehr aus, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.

Wenn „Diversity-Management“ nur das nachahmt, was gerade im Trend liegt, können die Ressourcen nicht gehoben werden, die in den wirklich wichtigen Unterschieden liegen. Dramatisch formuliert: In die „D-Falle“ tappt, wer da glaubt oder gar suggeriert, mit einer zeitgemäßen „Merkmals-Taxonomie“ sei die Sache erledigt.

„I have a dream: That my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin, but by the content of their character.“

Martin Luther King (1963)

Martin Luther King hat den Unterschied zwischen den (politisch relevanten) äußerlichen Merkmalen und den (für das Politische unverfügbaren) individuellen Eigenschaften klar und bis heute gültig auf den Punkt gebracht:

Erst wenn Merkmals-Vielfalt (Hautfarbe, Gender, kulturelle und ethnische Identität, Lebensalter…) ermöglicht und Diskriminierung ausgeschlossen ist, können wir die eigentlichen Herausforderungen annehmen, nämlich das Zusammenspiel von persönlichen Ressourcen, Motiven und Kompetenzen im Geflecht von funktionaler und aufgabenbezogener Vielfalt in der Team-Wirklichkeit auszuleuchten und auszugestalten – und damit Raum zu schaffen für die Entfaltung der individuellen Stärken im Sinne des Ganzen.

 


* Als aktuelles Beispiel mag hier die Stadtverwaltung Hannover dienen, die für das bislang aus 12 Frauen bestehende Team der Gleichstellungsbeauftragten ein weiteres weibliches Mitglied sucht. Eine „(- w -)- Stellenausschreibung“ – in einer Organisation, in der der Anteil der weiblichen Beschäftigten bei über 50% liegt. Das Erleben von Teamdiversität scheint also nicht überall auf der Wunschliste zu stehen.

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